Abgängiger Holz-Adler erwies sich als Kunstwerk. Hans-Heyo-Prahm-Stiftung ermöglichte Restaurierung des 255 Jahre alten Schildes der Lutherkirche

Wed, 23 Jun 2021 19:18:19 +0000 von Christoph Herbold

 kkl Leer. „Ist das Kunst oder kann das weg?“ Diese Frage stellte sich Verantwortlichen der Lutherkirchengemeinde Leer, als sie beim Aufräumen auf dem Dachboden des Gotteshauses einen Vogel aus Holz fanden. Es stellte sich schließlich heraus, dass es sich um einen 255 Jahre alten Schild aus Eichenholz in Form des gekrönten Königlich-Preußischen Adlers, der das Wappen Ostfrieslands zeigt, handelte. Dieser hat nach der Restaurierung einen Platz im Turmfoyer der Lutherkirche gefunden.
Pastor Christoph Herbold dankte bei einer kleinen Einweihungsfeier als Vertretern der Hans-Heyo-Prahm-Stiftung besonders Heike-Elisabeth Prahm vom Stiftungsrat und Stiftungsvorstand Bernd Böke. Die Stiftung hatte die Kosten in Höhe von 1700 Euro für die Restaurierung und die erklärende Tafel zum Kunstwerk übernommen. 
 Ein Gespräch mit Stifterin Heike-Elisabeth Prahm habe die Möglichkeit eröffnet, den in „bemitleidenswertem Zustand“ befindlichen Schild wieder zu einem Schmuckstück machen zu lassen, erklärte Herbold. Der Gemeinde selbst habe nach anderen Investitionen und coronabedingten Kollekten-Einbrüchen das Geld gefehlt und auch ein Antrag bei der Ostfriesischen Landschaft sei abgelehnt worden. 
Den entscheidenden Hinweis auf die Güte des Fundstücks gab als engagierter Heimatforscher Burghardt Sonnenburg. Der ehemalige Leiter des Leeraner Heimatmuseums, der zum Stadtmuseum Meppen wechselte, ist der Ledastadt weiter sehr verbunden und Mitglied im Stiftungsrat der Hans-Heyo-Prahm-Stiftung. Er machte darauf aufmerksam, dass der Schild an die Einweihung des Glockenturms der Lutherkirche am 1. Juli 1766 erinnert.
 Die Arbeiten am Schild wurden von Restaurator Lars Böhner aus Jever übernommen. Demnächst soll das Werk auch beleuchtet und gedreht werden können, damit beide Seiten zur Geltung kommen. Das will die Stiftung Lutherkirche Leer ermöglichen. „Die komplizierte ostfriesische Kirchengeschichte soll wahrheitsgemäß so dargestellt werden, dass die Verwerfungen früherer Jahrhunderte nicht die Ausstellung prägen“, sagte Herbold. Immerhin sei der Turmadler ja auch gefertigt worden, weil damit ein über 100 Jahre währender Kampf um den zweiten Turm von Leer mit einer Erlaubnis Friedrich II. endete. Der Pastor wies auf das gute Miteinander der Altstadtkirchen hin und erinnerte an das Bild der mit rot-weißen Wimpeln verbundenen Kirchtürme, das anlässlich des Turmfestes von 2016 von der Kreisfeuerwehr gemacht wurde. Es ist auch auf der Erklär-Tafel zu sehen.
Im Informationstext auf der Tafel heißt es unter anderem: „Über dem sechsfeldrigen Ostfriesland-Wappen von 1625 stehen die goldenen Initialen des ersten preußischen Königs Friedrich I.  (1657 - 1713): „FR“ - Fredericus Rex. Auf der Rückseite findet sich das Bibelwort „Fürchtet Gott / Ehret den König“ (1. Petrusbrief 2,17), darunter eine Krone mit der Inschrift „FR“. Sie verweist auf den Preußenkönig Friedrich II. (1712-1786), der damals Landesherr der Ostfriesen war. Er hatte den Turmbau im März 1764 genehmigt.
Schild und Inschrift haben nicht nur eine kirchengeschichtliche, sondern auch eine politische Aussage. Sie sind Dokumente der Mühen, die mit dem lutherischen Kirch- und Turmbau in Leer verbunden waren. Laut der Emder Konkordate von 1599 war das reformierte Bekenntnis in Ostfriesland reichs- und kirchenrechtlich neben dem lutherischen Bekenntnis anerkannt worden. Mit den Konkordaten wurde zugleich festgelegt, dass die Gemeinden ihre Konfession zwar selbst bestimmen durften, in einem Ort aber nicht mehr als eine Konfession geduldet wurde. In Leer war die Gemeinde seit Beginn der Reformation reformiert ausgerichtet gewesen. Kirchen- und Turmbau gelangen dennoch mit Hilfe der lutherischen Fürstin Christine Charlotte von Ostfriesland (1645-1699) bzw. ab 1744 mit Hilfe des Königs von Preußen, die beide das Kirchenregiment für sich beanspruchten.
Der Schild ist aber auch ein Zeichen der Versöhnung. Mit der Preußenherrschaft wurde der zermürbende innerostfriesische Machtkampf nach fast zwei Jahrhunderten endlich überwunden.“
Musikalisch umrahmte Kirchenmusikdirektor Joachim Gehrold die Feierstunde an der Ahrend-Orgel. 
 Anzuschauen ist das Kunstwerk während der regelmäßigen Öffnungen der Kirche von Juni bis Mitte September jeweils montags bis freitags von 15 bis 17 Uhr und sonnabends von 10.30 bis 12.30 Uhr sowie im Rahmen von Gottesdiensten und Veranstaltungen.
Quelle: Käte Dübbel
Über die Einweihung des 255 Jahre alten Schildes aus Eichenholz in Form des gekrönten Königlich-Preußischen Adlers in der Lutherkirche Leer freuten sich auch (von links) Bernd Böke, Burghardt Sonnenberg und Heike-Elisabeth Prahm von der Hans-Heyo-Prahm-St
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